Convenor der AG Zeitungen und Zeitschriften

RaDiHum20 spricht mit der AG Zeitungen und Zeitschriften

In unserer Februar-Folge haben wir für euch die beiden Convenor der AG Zeitungen und Zeitschriften im DHd Nanette Rißler-Pipka und Torsten Roeder interviewt.

Zeitungen und Zeitschriften als Quelle und Material

Nachdem die beiden sich vorgestellt haben, steigen wir direkt ab Minute 3:20 in ein wichtiges Thema der AG ein: Die Digitalisierung von Zeitungen und Zeitschriften. Nanette hat in ihrer täglichen Forschungsarbeit nämlich festgestellt, dass es nicht so einfach ist, Digitalisate einerseits zu finden und andererseits bei Beständen in Bibliotheken und Archiven anzufragen. Um vor allem die Kommunikation zwischen Datengebenden und Forschenden zu verbessern, hat sie sich für die Gründung der AG eingesetzt. Gefunden haben sich die AG-Gründer*innen auf der DHd-Konferenz 2018 in Köln. Bereits in diesem Kreis haben sich viele Perspektiven vereint: Einerseits Forschende, andererseits beispielsweise Bibliotheksmitarbeiter*innen mit Datengebenden-Sicht.

Torsten geht darauf ein, warum Zeitungen und Zeitschriften spezielle Objekte sind, die auch die Forschungspraxis verändern: Haptik und Materialität stellen in Bezug auf Digitalisierung eine besondere Herausforderungen dar. Die große Zahl von Zeitungen und Zeitschriften ermöglicht es das Thema “Massendigitalisierung” zu erforschen und aus der großen Anzahl von zugänglich gemachten Daten neue Fragen zu entwickeln. Er erzählt, wie mühsam und aufwändig das Beforschen von analogen Zeitschriftenbeständen und wie viel Reisen dazu notwendig ist. Besonders in methodischen Fragestellungen sieht Torsten ein weiteres Arbeitsfeld, an dem sich die AG in Zukunft betätigen könnte.

Nanette betont, wie wichtig eine Digitalisierung von Zeitungen ist, indem sie den täglichen Arbeitsprozess schildert: Forschende legen zum Teil eine lange Wegstrecke zum Material zurück (in ihrem Beispiel nennt sie Kuba als Standort) und sichern die Einzelseiten einer Zeitschrift/Zeitung fotografisch mit dem Handy, weil nicht sichergestellt werden kann, dass das fragile Objekt bei der nächsten Reise noch auffindbar ist.

Seit ihrer offiziellen Gründung im Jahr 2019 setzt sich die AG aus Akteur*innen der beiden Seiten (Datengebende und Forschende) zusammen, wie Nanette ab Minute 10:00 erzählt. Daraus ergibt sich im Rahmen der AG, dass viel darüber gesprochen wird, wie man mit den Digitalisaten umgeht oder sie anbietet. Dabei geht es konkret darum, ob das Digitalisat beispielsweise als Bild oder Text angeboten, mit Metadaten versehen wird, oder nicht, und wenn ja, mit welchen und wie vielen.

(Inter)nationale Diskurse um Periodicals und Begriffe

Torsten spricht ab Minute 11:30 über seine Überraschung, als er auf der DH-Konferenz in Utrecht  feststellte, dass Zeitungen und Zeitschriften auch intensiv im internationalen Umfeld beforscht werden: Es gab dort drei Panels zum Thema Periodicals, mehrere Poster und Einzelvorträge. Auch auf der internationalen Ebene treffen die beiden Seiten der Akteur*innen aufeinander – oft bräuchten Forschende mehr oder andere Daten als die, die von Datengebenden erfasst oder bereitgestellt werden. Dabei betont er, dass beide Seiten daran interessiert sind gemeinsam realistische Ziele zu finden.

Im internationalen Vergleich der Begriffsverwendung von Periodicals wird klar, dass es Unterschiede in der Definition der Materialkategorien gibt. Im Deutschen unterscheidet man bspw. täglich herausgegebene Zeitungen, die eine große Anzahl an Exemplaren haben sowie thematisch spezialisierte Zeitschriften, die seltener erscheinen und Themen vertiefen. Eine weitere Unterscheidung, die Nanette ergänzt, ist die der Aktualität: Wo sich die AG vor allem mit historischen Zeitungen und Zeitschriften beschäftigt, gibt es natürlich auch das riesige Forschungsfeld zu aktuellen Publikationen.

Das englischsprachige Äquivalent des Forschungsinteresses der AG nennt sich dann Historical Periodicals. Auch auf die Entwicklung von buchähnlichen Formen und Einzelblättern (ähnlich im Vergleich mit heutigen Tageszeitungen und Illustrierten) geht Nanette kurz ein, genauso wie darauf, dass das Material im Vergleich in anderen Sprachräumen anders behandelt, verstanden und tradiert wird. Genauso verhält es sich in den verschiedenen Fächern, die sich mit den Objekten mit anderen Grundannahmen nähern. Wichtig dabei ist: Die Übergänge der Begriffsdefinitionen sind fließend und es gibt viele Perspektiven auf das Thema Periodicals.

Projekte und Themen

Wir betrachten die Arbeit der AG ab Minute 15:40. Torsten berichtet von einem ersten Workshop zum Thema OCR im Jahr 2019. Aus diesem entstand eine Workshopreihe, die jährlich geplant ist. Inhaltlich geht es dabei um Themen, die den Mitgliedern der AG in ihrer täglichen Arbeit begegnen – den Anfang hat dabei das Thema OCR gemacht. Er weist darauf hin, dass die AG als Plattform der Vernetzung von Einzelprojekten und Akteur*innen dient, die voneinander lernen können. Dieser Vernetzungsaspekt hat sogar Eingang in die Sitzungen der AG gefunden: Als eigenen Tagesordnungspunkt gibt es jetzt auch Projektvorstellungen.

Auch im Jahr 2020 hat die AG einen Workshop der bereits angesprochenen Methodenreihe gehalten. In diesem Jahr ging es um das Thema Metadaten

Der erste Workshop im Jahr 2019 zu OCR stellte sich vor allem der Frage, “Wie kommen wir an die Volltexte des Materials?” Das zugrundeliegende Problem ist, dass die Digitalisate oft als Bilddateien vorliegen, aber nur zu einem geringen Teil korrekte oder vollständige Volltextdateien. Beim zweiten Workshop hat sich die AG dann dem Thema Metadaten genähert, die oft noch eher als Volltexte von Datengebenden wie bspw. Bibliotheken erfasst werden. Mit diesen Metadaten kann man bereits einiges anfangen, aber die Beschaffung und Auswertung dieser Daten ist nicht immer einfach. Darum hat die AG dazu ein Tutorial und eine Python library veröffentlicht.

Der Workshop wird 2021 im Rahmen der virtuell stattfindenden vDHd nochmal angeboten. Inhaltlich wird es auch wieder darum gehen einen ganzen Workflow abzubilden: Angefangen von der Beschaffung der Metadaten, über Strukturen und Datenformate, statistische Auswertungen anhand bestimmter Kriterien bis hin zu Fragestellungen an die Daten mit Python, Visualisierung und Interpretation der Erkenntnisse. Eine Nachbetrachtung zum Workshop findet ihr auch auf dem DHd-Blog.

Materialdiskurse

Ab Minute 24:30 widmen wir uns der allgemeinen Betrachtung von Zeitungen und Zeitschriften. Torsten beschreibt, dass die AG sich im Moment vor allem mit den Themen beschäftigt, die an sie herangetragen werden und sich durch Digitalisierungsbestrebungen ergeben haben. Nun geht es aber darum, diese Themen zu bündeln und zusammenzufassen: Darunter fallen bspw. die Nutzung von Standards, Beschreibungen von Layouts oder der Umgang mit Sonderfällen. Technisch gesehen betrifft das auch die Metadaten oder eine Modellierung in TEI, genauso wie eine Beschreibung des Materials im Gegensatz zu einer Layout-Beschreibung. Auch diese Art von Fragen wird im Rahmen der AG diskutiert.

Wir sind Macher

Es gibt viel zu tun! Ab Minute 27:00 sprechen wir über Kollaborationen mit anderen AGs im DHd-Verband. Der OCR-Workshop ist bspw. in Zusammenarbeit mit der gleichnamigen AG entstanden. Im Grunde lässt sich sagen, dass die Convenor der AG Zeitungen und Zeitschriften offen für alle Mitwirkenden und sinnvollen Kollaborationen sind.

Als Einzelpersonen könnt ihr euch über die Webseite informieren, euch für die Mailingliste eintragen oder gleich in die inhaltliche Arbeit einsteigen, indem ihr eine Mail an Nanette oder Torsten schreiben. Kommt auch gerne zu einem Treffen der AG dazu oder sprecht mit den beiden, nachdem ihr an einem Workshop teilgenommen habt.

In Zukunft möchten die beiden, neben der Fortführung der Workshopreihe, mithilfe der AG weitere Desiderate schrittchenweise lösen. Dazu gehören offene Fragen zur Zugänglichkeit/Restriktion der Datenbestände, Modellierung in TEI oder auch, wie Forschende die eigene Arbeit an Datengebende zurückspielen und damit nachnutzbar machen können. 

Eine wichtige Unterscheidung im Umgang mit den Digitalisaten macht Nanette an dieser Stelle noch: Die Herangehensweise von Forschenden kann sehr unterschiedlich sein. Die einen haben eine hermeneutische Perspektive auf die Daten und beschäftigen sich vielleicht mit einer einzelnen Zeitung/Zeitschrift, vielleicht aus einem literatur-, kultur- oder medienwissenschaftlichen Hintergrund, die anderen widmen sich einer quantitativen Analyse der Daten, das ist der eher DH-lastige Zugang.

Die Befristung einzelner Projekte bringt natürlich eine gewisse Fluktuation in der Mitglieder der AG mit sich, weswegen es schwierig ist bestimmte Themen und Diskurse über einen längeren Zeitraum führen und beeinflussen zu wollen. Daher sieht sich die AG vor allem als Partner für alles, was mit Zeitungen und Zeitschriften zu tun hat, von der Methodik, über Infrastrukturfragen, bis hin zur Vernetzung.

Zum Schluss betont Torsten noch, wie wichtig es ist, sich bzgl. Zeitungen und Zeitschriften in der internationalen Periodical-Forschung umzuschauen – die beiden bringen vor allem eine westeuropäische Perspektive mit. Hier wurde das Medium historisch sehr unterschiedlich und mit großer Kreativität genutzt. Im Vergleich passiert in anderen Sprachräumen viel zu den Themen Standards und Codierung. Nanette ergänzt die Begriffe Multilingualität, Multimodalität und Haptik, die zu weiteren interessanten Forschungsperspektiven führen.

Die Arbeit der AG allgemein findet ihr auch hier:

Webseite: https://dhd-ag-zz.github.io/

Zenodo-Community: https://zenodo.org/communities/dhd-agzz/about/

Ihr könnt den beiden auch auf Twitter folgen:

@torstenroeder

@NanetteRissler

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